Schwarzmalerei – Die Tintenfischnudel
Den Dreh mit der Kundenbindung hat Milena raus. Jedesmal wenn wir bei ihr einkaufen, fragt sie uns, ob wir das schon zubereitet haben oder aber dies… meist hat nichts davon mit der Ware zu tun, die wir im Augenblick kaufen, weswegen wir natürlich wiederkommen, um es auszuprobieren. Auch zwecks Integration und so. Und ein Rezept gibt es sowieso jedes Mal dazu. “Habt ihr schon einmal Risotto oder Pasta al nero di seppia gemacht?”
“Nein” sagen wir und schauen uns an. Wie kommen wir jetzt aus dieser Nummer wieder raus? Denn gegessen haben wir es bereits mehrfach. Nicht gerade unser Favorit. Im besten Fall fischelte es leicht und war etwas salzig. Im schlimmsten Fall müffelte es wie auf einer sonnigen Fischhalde am Spätnachmittag und war so salzig, dass es die Backenschleimhäute austrocknete. “E buo-ni-ssimo!” sagt sie, und lächelt dabei ganz selig. Gut, beschließen wir, wir werden es ausprobieren. Kann man ja- im Zuge zwischenmenschlich guter Beziehungen – mal machen. “Sagt mir, wann ihr es zubereiten wollt, Paolo muss euch die Tinte dann beiseite tun, dann geb‘ ich sie euch in einem Glas mit”. Wir bestellen Tinte und Tintenfisch auf den nächsten Tag. Und ich fahre dann mit einem großen Einmachglas zu ihr runter ins Dorf. Ich bin total gespannt. Wird das Glas voll werden? Oder wird es nur ein Pfützchen sein? Stolz stelle ich mein Glas auf Milenas Theke. Ihr Sohn Andrea knattert damit auf seinem Motorino zu Paolo in den Hafen und holt die Tinte dort ab. Wie immer fangfrisch, wenn man diesen Begriff auch auf Tinte anwenden kann, aber den Tintenfisch gibt’s ja dazu. Keine 5 Minuten später ist er wieder da, während ich zwischenzeitlich die Rezepte von drei Kundinnen ausgehorcht habe und versuche, sie mir weitestgehend zu merken. Ich strahle Andrea an, der mein Behältnis auf den gläsernen Tresen stellt. Ja aber….was um Himmels Willen ist denn das? Ich bin ein entsetzt! Das sind ja lauter kleine Säckchen! Und wieso muss ich auf einmal an herausoperierte Nierensteine denken?
“Äh, Milena… was mach’ ich jetzt mit denen?” Wieder einmal fühle ich mich als ignoranter Zugereister, ts ts, da kennt die nicht mal Tintensäckchen! Verstärkt wird dieses Gefühl durch meine dürre Thekennachbarin, die die ganze Szenerie argwöhnisch beäugt und mir einen missbilligenden Blick zuwirft. Nachsichtig nimmt mir Milena das Glas aus der Hand und sagt: “Dai, ci penso io” – in etwa, gib her, ich mach das schon. Es sind sowieso viel zu viele Säckchen für mich, meint sie und zieht sich die Einmalhandschuhe professionell und faltenfrei über. (Das gleiche wird übrigens später auch Giuseppe machen, um sich und unsere Küche nicht einzusauen. Allerdings wird er mich dabei irgendwie eher an -sagen wir mal – einen Tierarzt mit fachlichem Schwerpunkt “Kuh” erinnern, der seinen Beruf mit besonderer, etwas spezieller Hingabe ausübt :-))
Sie beginnt Säckchen für Säckchen unter fliessendem kalten Wasser abzuspülen. Eifrig beobachtet meine dürre Thekennachbarin das Procedere, legt den Kopf schief und fragt: “Ma.. Milena, cos’è?” HA! Am Meer aufgewachsen und die weiß das mit den Säckchen auch nicht! Mein Glas wird anschließend als zu unpraktisch empfunden und Milena legt mir ein einziges kleines Tintenbömbchen in einen Plastikbecher ohne Deckel. Dafür wird er dann mit einer Plastiktüte umwickelt.
Das sei sowieso schon zuviel an Tinte für unser pranzo – also für’s Mittagessen. Dann trägt sie mir noch das Rezept für Giuseppe auf, das ich mantramäßig auf der ganzen Fahrt vor mich hinmurmle, um es nicht zu vergessen und ihm zu Hause –noch vor jedweder Begrüßung – ins Gesicht schmettere. Ab hier verschiebt sich nun der Kompetenzbereich und ich übergebe an Giuseppe mit der Zubereitung des Gerichts (allerdings entscheiden wir uns dann doch für Pasta und nicht für das Risotto):
Also Giuseppina, pronto pronto, los geht’s. Wie schon erwähnt, hatten wir sehr unterschiedliche Erfahrungen mit diesem Gericht. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und das was jetzt kommt, ist wirklich der BÖRNER. Wirklich spitzen lecker.
Wie meistens im Leben ist das Ganze nur eine Frage der Einfachheit, der frischen Zutaten und des Weglassens. Ganz wichtig ist, dass man ein Gefühl für das Weglassen entwickelt, und die Variablen Produkt, Zeit und Reihenfolge ins richtige Verhältnis setzt.
Wir nehmen 3 reife Tomaten, die im kochenden Nudelwasser 1 Minute mitkochen,
um Ihnen dann die Haut vom Fleische zu pellen,
eine halbe, weiße Zwiebel und 1 Knoblauchzehe reiben – den Soffritto,
die Seppia (Tintenfisch) in kleine Streifen schneiden und
die Tomatenstückchen entwässern.
Das Soffritto 1-2 min in Olivenöl anbraten, dann die Seppia und die Tomaten zugeben,
mit klein geschnittenen Pefersilienstängeln (das gibt den Kick) und einem halben Glas (50/50) Wasser/Weißwein ablöschen,
dann 20 Minuten bei geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze garen. Erst am Schluss etwas salzen nach Geschmack.
Als Nudel nehmen wir heute Campofilone Chitarrina (eine mega Eierpasta aus den Marken). Und zur Deko kurz in Salzwasser gesottene Garnelen.
Achtung Zeitmanagement: Die Nudel benötigt nur 5 Minuten.
Jetzt kommt der Sack voll Schwärze:
Nur leicht mit einer Nadel anpieksen und die Menge nach Bedarf und Gusto verwenden. Ich nehme circa 1/3 der Blase.
Erst wenn der Sugo fertig geköchelt ist die Tinte eintropfen lassen und nicht mehr weiterkochen.
1-2mal umrühren, dann Nudeln dazu und nochmals umrühren,
aufdrehen, absetzen,
garnieren,
Hütchen auf vom Rosmarin,
und fertig…
…und habe fertig.
Ein herrlicher Genuss, kein Fischeln, kein mieser Geruch und die Hände haben auch nichts abbekommen. (Das mit den Zähnen und dem strahlenden Lächeln hinterher lassen wir aber mal. Das wäre dramatisch. Es gibt zwar Fotos, aber von deren Veröffentlichung haben wir heute abgesehen.)
Alla prossima amici!
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